1Das Sustenjoch (2654 m) ist ein interessanter und alpiner Zustieg ins Voralptal und zur Voralphütte SAC. Um daraus eine 1-tägige (und lange) Alpintour bis nach Göschenen zu machen, braucht es etwas Planung. Ich rechne mir aus, dass ich um etwa 6 Uhr beim Sustenpass starten muss, damit ich das 16:11 Uhr-Postauto ab Göschenen zurück zum Sustenpass erreiche. Mein Zeitbudget beträgt also 10 Stunden für die 1'500 m Aufstieg, 2'650 m Abstieg und knapp 19 Kilometer Distanz.
2Also, der Start um 6.00 Uhr beim Sustenpass hat geklappt und bereits befinde ich mich auf der Moräne im Chalchtal bei P. 1959, wo sich der Alpinwanderweg mit demjenigen von der Guferalp vereinigt.
3Blick zurück zum Sustenpass, Fünffingerstöck, Wendenhorn, Grassen und wie sie alle heissen. Ein herrliches Panorama im Morgenlicht!
4Über dem Chalchtalfirn thront das Vorder Sustenhorn (3318 m).
5Der Weg ist weiss-blau-weiss markiert und an exponierten Stellen mit Ketten gesichert. Dennoch ist die Bewertung mit T5 angebracht. Der Schnee der Vortage ist zum grössten Teil geschmolzen. Bereits ist das Sustenjoch in Sicht, das ich um 7.30 Uhr erreiche.
6Sustenjoch (2654 m).
7Der Abstieg auf der Voralpseite ist relativ flach, aber mit Blöcken übersäht. Auch betrete ich den aperen und spaltenlosen Wallenburgfirn.
8In der Ebene hat sich ein kleiner Gletschersee gebildet. Kurz vorher hatte ich eine Schrecksekunde, als ich mit beiden Beinen in einem Schneesumpf-Wasserloch knietief einsank: Nasse Schuhe, wie blöd. Muss ich meine Tour abbrechen?
9Nassen Fusses beeile ich mich, die Sonne und die Voralphütte (2126 m) zu erreichen (8.45 Uhr). Nach einer Stärkung mit einem halben Liter Rivella entscheide ich, die Tour wie geplant weiterzuführen. Es geht also wieder obsi, nach Osten zum Flüestafel und Horenfelliboden (2503 m).
10Die Sicht auf die gegenüber liegende Bergkette mit Bergseeschijen, Schijenstock ist fantastisch. Das ist der Zeitpunkt, bei welchem ich mit der Idee zur Besteigung des Schijenstocks infiziert werde (was bereits wenige Wochen später in Erfüllung geht).
11Das frisch eingeschneite Sustenhorn (3502 m), mit dem nach vorne rechts laufenden, rassigen Ostgrat. Das schwarze Dach der Voralphütte ist gerade noch zu erkennen.
12Der Weg steigt an bis etwa 2540 m, um dann in einigen Kehren 140 Meter abwärts zur Spicherribichelen zu führen.
13Hier ziehe ich das Gstätli an und rüste mich mit dem Klettersteigset aus, um über einige Leitern in die eindrückliche Spicherribichelen abzusteigen.
14Nach der Querung geht es wieder Bergauf zum Salbitschijenbiwak (2399 m), welches als Ausgangspunkt für die lange und schwierige Klettertour über den Westgrat auf den Salbitschijen dient.
15Und bald ist das nächste Highlight in Sicht, die Salbitbrücke, welche in schwindelerregender Höhe über das gewaltige Tobel der Stotzig Chäle führt.
16Die Brücke ist 90 m lang und war vorher beim Triftgletscher in Betrieb.
17Salbitbrücke.
18Die Salbithütte erreiche ich um 12.20 Uhr und freue mich, dass die Schuhe inzwischen fast trocken sind und ich gut im Zeitplan liege. Etwas verwegen kommt mir sogar der Gedanke, via Bandlücke noch den Meiggelenstock zu besteigen und dann nach Wassen hinunter zu laufen, um dort das Postauto zu erreichen. Doch die Fussohlen schmerzen etwas und Hunger habe ich auch, so dass ich mich für eine eineinhalbstündige Mittagspause mit Rösti entscheide - genug ist genug.
19Die Pause wird durch einen Rega-Helikopter unterbrochen, der zwei Kletterer vom Salbitschijen abholt. Gott sei Dank sieht es nicht nach einem schlimmen Unfall aus.
20Gut gestärkt wandere ich die letzten 1'000 Höhenmeter via Regliberg zum Bahnhof Göschenen. Im Rücken wacht der Salbitschijen (2986 m) über das Göscheneralptal. Den Bahnhof erreiche ich um 15.30 Uhr, so dass bis zur Postauto-Fahrt Zeit für ein Glace und ein weiteres Rivella bleibt. Es war durstiges Wetter heute ...
21Die kurzweilige Postautofahrt zurück auf den Sustenpass ist auch dem Chauffeur zu verdanken, der einiges Wissenswertes über Land und Leute zu berichten weiss. In Meien liess er das Postautohorn besonders schön erklingen und klärte uns Passagiere darüber auf, dass dort die beiden winkenden Menschen seine grössten Fans seien: Ohne Ausnahme jeden Tag winken sie dem Postauto zu, was wir natürlich mit einem zurück-Winken verdankten. Solche Erlebnisse zeigen mir immer wieder, wie wir Menschen im Grunde doch einfach gute Wesen sind, die Freude am Leben haben und in Frieden zusammenleben möchten. Auf dem Foto übrigens das Meiental von der Sustenpassstrasse aus gesehen.
22Der Kreis schliesst sich: Rund 11 Stunden nachdem ich vom Sustenpass aus gestartet bin, stehe ich wieder hier oben und schaue nochmals zum Sustenjoch (tiefste Einsattelung im Bild). Es war eine tolle, abwechslungsreiche und anfänglich sehr einsame Alpinwanderung, die mir einmal mehr aufzeigte, dass die unversehrte Heimkehr nicht ganz selbstverständlich ist. Danke, dass auch diesmal alles gut gegangen ist!